Donnerstag, 6. November 2014

Hamburgteile 40C

Der Ford aus Poppenbüttel


Damals besuchten wir gerne mal Verwandte in der DDR. In Alle bei Halle, Krügersdorf wo wir her kamen und dort wo die Eisenhütten standen. Die DDR Verwandten hatten unseren alten kantigen grünen VW nicht besonders gewürdigt. Er sah ihren Autos zu ähnlich. Also musste eine neue scheußliche Schüssel her. Irgendwas wo sich die Dorfjugend wie eine Horde eingeborener Kugelschreibersammler versammeln konnte. Mein Vater schwörte auf den Jahreswagen. Der ist eingefahren und hat die Kinderkrankheiten überwunden. Inseriert im Ahmblatt war ein Ford. Gülden und sechs Zylinder. Mehr Pferdestärken und mit Rückbankfell für den ungarischen Hirtenpudel, den wir immer bei uns hatten.

Wir holten also den Wagen ab und fuhren erst zur Bank. Die 11 000 Mark abholen. Dann mit der S-Bahn nach Hamburg Poppenbüttel. Mein Vater fuhr damals nie Bahn und benahm sich durchgängig daneben. Am Hauptbahnhof mussten wir umsteigen. Er sagte laut auf dem Bahnsteig immer wieder „Poppenbüttel“. Meine Mutter meinte: “Das ist peinlich. Die Leute denken sonst noch was!“  Ich roch am Ausgang unserer Hündin. Sie war etwas aufgeregt, weil sie sonst auch nie Bahn fuhr.

Vom Bahnhof in Poppenbüttel holte uns ein geschmeidiger junger großer und schlanker Mann ab. Wir fuhren in ein Neubauviertel. Es roch anders als bei uns zuhause. Ein wenig nach Gudrun Ensslin noch und Spießigkeit. Bei uns daheim fiel die Frau Ensslin weg. Meine Eltern waren in dieser Frage allerdings ganz der Meinung von Helmut Schmidt. Eigentlich war für uns alle in der Familie alles richtig, was Helmut Schmidt sagte.

Da stand er nun vor uns. Ein goldener Ford mit 90 Pferdestärken, Schiebedach und sauberen Himmel. Einzigartig im Anzug, aber ohne Krawatte. Mit der erworbenen Autoschönheit begaben wir uns schnell auf die Autobahn und mein Vater gab richtig Gas. Manchmal auch Zwischengas beim Schalten was nicht so unbedingt nötig war. Aber das hatte er von früher beibehalten. Ich weiß noch, wie er aus dem Bügelzimmer meiner Mutter schaute und stolz auf das neue Auto blickte.

„Siehst du mein Sohn! So muss ein Auto schmecken!“




6. November 2014




Fotos 1. November 2014












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